22.10.2019:
50 Jahre GSG - Das Musical
Es hat eigentlich ganz harmlos begonnen…
Es waren mal drei Hermines, die haben neue Bücher für die Bibliothek eingebunden. Eine sehr nützliche Aufgabe, aber nicht für übermäßige Spannung bekannt. Um sich etwas die Zeit zu vertreiben, haben sie A cappella gesungen. Das war nicht zu überhören, klang so schön und hat mich sofort in seinen Bann gezogen.
„Ihr könnt ja singen!“
„Na und?!“
„Wir müssen ein Musical machen!“
„Ernsthaft?!“
Ihr Gesichtsausdruck, der ich mich als einziger Erwachsener (unfassbar alter Mensch, der zwar beim Bau der Arche schon geholfen hat, aber trotzdem von absolut gar nichts eine Ahnung hat) schon so oft getroffen hat, signalisierte etwas zwischen Ablehnung, Mitleid und Fremdschämen.
Das war um die Herbstferien 2018 rum, Steffi Bresgen suchte noch Inspirationen für das 50- jährige Schuljubiläum. Ja, früher war alles besser, Herr Schneider hatte noch Haare, Loriot machte Comedy und der FC war immer erstklassig.
Aber war damals wirklich alles besser? Was wäre, wenn wir einen direkten Vergleich hätten. Geht aber nur mit Zeitreisen und da hilft auch kein LK Physik, zumindest wenn man Stephen Hawking oder die Jungs von Big Bäng Theory fragt. Doch war da nicht mal ein Film mit Michael J. Fox?
„Lange Rede, überhaupt gar keinen Sinn“, wie unsere Woman in Black so treffend auf der Bühne sagte: “Geht nicht, gibt’s nicht.“ Auf der Bühne ist alles möglich! Jetzt musst Du das nur noch Deinen singenden Hermines schmackhaft machen. In einer Welt, in der (You Tube-) Influencer ein ernsthafter Berufswunsch ist, wo Ruhm, Geld und Macht von Schimpfwörter „singenden“, dicken Jungs mit fetten Goldketten kassiert werden, ist die Aussicht auf Applaus auf der Schulbühne kein verlockendes Angebot.
Pitch Perfect und Glee waren meine Rettung, beides Formate, die auch den Jüngeren im Kollegium kaum etwas sagen, aber die sollten auch nicht mitsingen. Ja, es gibt in der aktuellen Jugendkultur Taylor Swift, Ed Sheeran und Pentatonix, die wirklich richtig gut singen können, ob in Serien oder Kinofilmen wie Pitch Perfect…
Ist es ein Zufall, dass viele Hermines auch im Orchester spielen? Dass sie sich für Literatur und Musik interessieren und von dort aus, es nur noch ein kleiner Schritt zum Theater ist? Das Ensemble stand vor dem Jahreswechsel fest. Aber mit der großzügigen Zusage der Schulleitung und des Fördervereins für uns die Kammeroper zu mieten, konnte ich punkten und in der Vorweihnachtszeit waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Man sprach mit seinem Casa´la Team und musste überhaupt gar keine Überzeugungsarbeit mehr leisten! Silvia Huber und Katharina Rosenstein riefen eine Kostüm und Maske-AG ins Leben. Maria Thelen und Silke Karcher bildeten zwei Schülerinnen-Dance Company (auch mit den Cheerleadern). Unsere FSJ-lerin Alicia Schneider übernahm das Gesangstraining und bildete mit Ramon Napolano die Musikalische Leitung, bei der Martina Stiehler sie unterstützte. Flori Kruppa verwaltete unsere Ausgaben. Dominik Schöneberg half uns bei Raum- und Stundenplanproblemen. Ebbi Noacks Kunstkurs sprayte Graffiti für die Bühne. Niklas Überschär und Paula Ventura waren unsere guten Geister im Walzwerk. Kerstin Bienentreu koordinierte Inklusionskinder.
Mit dem neuen Jahr standen drei existenzielle Aufgaben im Raum. Das Stück musste geschrieben werden, parallel mussten Songs ausgewählt werden, die zur Handlung und zu den Interpretinnen passen und alle Abteilungen mussten gemanagt werden.
Eigene Probenpläne für Schauspielerinnen, Chor, Solosängerinnen, Musikerinnen oder Tänzerinnen wurden erstellt und fast täglich aktualisiert. Unsere drei Downey Girls grüßten mich ab jetzt jedes Mal überschwänglich, ihre Zeitrechnung richtete sich nur noch nach den Tanzproben. Es brach einem fast das Herz, als sie am Abend der Premiere in der Garderobe bittere Tränchen weinten, weil wir uns nun nach 9 Monaten trennen würden.
Meine Schwester, selber gelernte Schauspielerin, fragte aus ihrem reichen Erfahrungsschatz heraus, „wie es mir den mit dem Zickenkrieg ergangen war“? Absolut verblüffend - weder während der Proben, in der Kostümabteilung noch im Backstage-Bereich vor der Premiere gab es Eifersüchteleien, Egoprobleme oder Starallüren. Alle haben sich stets geholfen, Süßigkeiten geteilt und in den Pausen sich müde aneinander gekuschelt. Ich werde nie das Bild vergessen, als am Premiere Abend mindestens 15 Mädchen, vor dem großen Maskenspiegel stehend und sitzend in 3 Reihen, sich gegenseitig schminkten, fütterten, lachten, fotografierten und Komplimente machten. Diese Magie hat sich direkt auf die Bühne übertragen. Oben auf der Lichttraverse kam ich während der Vorstellung aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Alle waren besser als in jeder Probe (und da waren sie schon so gut, dass ich zuversichtlich in die letzte Probenwoche gegangen bin). Meine Frau hat in den letzten 20 Jahren schon viele Premieren tapfer mit mir durchgestanden und gerade bei erwachsenen Berufsschauspielerinnen war das nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Diesmal war Ihr Mann verdächtig ruhig, deshalb erklärte ich, dass die Kids mich zwar regelmäßig in den Wahnsinn trieben, aber Talent und Engagement seien vorbildlich. Viele konnten den Text schon eher als vergleichsweise die Profis.
Nun saß ich da über dem Publikum, nahe der Decke, und betete, dass alles glatt gehen sollte. Die Tänzerinnen und Cheerleader hatten nur einmal auf der Kammeroper-Bühne geprobt! Voll Mut und Adrenalin schlugen sie Räder oder warfen sich einander zu, obwohl sie den Bühnenrand, Monitorboxen oder Fahrräder nur erahnten.
Natürlich gab es Patzer, vergessene Stichworte oder verpennte Auftritte, aber wem sind die aufgefallen? Die haben so sagenhaft raffiniert improvisiert, wenn eine wichtige Frage nicht gestellt wurde. Also ich war mit 16 Jahren nicht so eine coole Socke, dass ich meinen Mitspieler vor 340 Zuschauern so lässig aus der Patsche helfe. Respekt.
Nicht wenige haben uns angesprochen, ob wir die Show nicht wiederholen könnten.
Die Rahmenbedingungen lassen das nicht zu. Wegen der GEMA Gebühren, dürfen wir keinen Eintritt nehmen. Die Kammeroper kann man sich nur für ein 50. Jubiläum leisten. Aktuelle Abiturientinnen gehen Ihren Weg in die Welt (wir waren ja von Stufe 5 -12 vertreten), Q2-SuS bauen ihr Abitur…
Wir arbeiten an einer DVD und einer CD für Weihnachten und vielleicht gibt es ja an anderer Stelle ein Wiedersehen.
Vielen Dank, dass Ihr uns auf unserer Reise begleitet habt.
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