Polizeiaufgebot in der Pulheimer Innenstadt - Infoveranstaltung gegen Nazis
PULHEIM. Ausnahmezustand in Pulheim. Während ein Überwachungshubschrauber über der Stadt kreist, zeigt die Polizei in der Innenstadt massiv Präsenz. Rechtradikale hatten zur Demonstration in Pulheim aufgerufen.
Der Grund: Im Raum 49 des Geschwister-Scholl-Gymnasiums eröffneten Vertreter der Schule, des Jugendclubs "Courage" und des Netzwerkes "Buntes Pulheim" die Ausstellung "Rechts um - und ab durch die Mitte". Gleichzeitig war Hans-Peter Killguss als Gastreferent eingeladen. Der Mitarbeiter der Informations- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus der Kölner NS-Dokumentationsstelle informierte seine Zuhörer über die verschiedenen Gruppierungen der rechtsextremen Szene.
"Die 'Autonomen Nationalisten Pulheim' haben vor kurzem zu dieser Demonstration gegen die Ausstellung aufgerufen, die über Rassismus und Antisemitismus informiert", sagte Hannes Loh, Lehrer für Deutsch und Geschichte an dem Gymnasium. Aufgrund der jüngsten Krawalle durch Rechtsradikale in Hamburg seien die Verantwortlichen der Schule besorgt gewesen. "Wir wussten nicht, ob wir die Sicherheit der Schüler und der Besucher gewährleisten konnten. Wir haben überlegt, ob wir die Veranstaltung absagen müssen, " so Schulleiter Andreas Niessen.
Deshalb sei kurzfristig eine Krisensitzung einberufen worden. "Die hat uns positiv überrascht", sagte der Schulleiter. "Vertreter aller Parteien, der Bürgerschaft und von Vereinen sowie einfache Bürger haben diese Sitzung besucht, und alle haben das Gleiche gesagt. Sie wollten, dass die Veranstaltung stattfindet und versicherten uns ihrer Unterstützung. Alles andere sei eine Kapitulation vor den Rechtsradikalen." Daher habe man entschieden, die Ausstellung zu eröffnen.
Diese fiel genau auf den Gedenktag zur Kapitulation Nazi-Deutschlands. "Also haben die Rechten vor dem Real-Supermarkt eine Mahnwache postiert unter den Motto: Gegen antideutsche Hetze und Gewalt - für nationalen Sozialismus", sagte Killguss. Es gebe aber noch einen weiteren Grund, warum die Sache brisant sei.
"Die 'Autonomen Nationalisten Pulheim', kurz ANP, erscheinen gut strukturiert und äußerst aktiv. Einer ihrer Gründer ist Axel Reitz, er gehört zu den bekanntesten Rechtsradikalen Deutschlands." So komme es in Pulheim immer wieder zu rechtsextremistischen Straftaten in Verbindung mit Gewalt. Außerdem fände man an Wänden andauernd Schmierereien mit rechtsradikalen Parolen. "Ein 'Höhepunkt' dieser Aktivitäten war der so genannte Geistermarsch durch Pulheim, bei dem Rechtsradikale vor einem halben Jahr nachts durch Pulheim gezogen sind. Die Sache soll gespenstisch gewesen sein."
In seinem Vortrag stellte Killguss verschiedene Gruppierungen des rechtsradikalen Spektrums vor, wie die NPD, freie Kameradschaften oder die rechtspopulistische Partei "Pro Köln", die im Kölner Stadtrat vertreten ist. Ein besonderes Augenmerk richtete er auf die "Autonomen Nationalisten". "Sie präsentieren sich mittlerweile wie die 'Autonomen Linken' und sind von diesen kaum noch zu unterscheiden. Das Klischee 'Nazi gleich Glatze und Springerstiefel' stimmt nicht mehr. Rechtsradikale kleiden sich völlig normal und versuchen kommunalpolitische Themen zu besetzen, um zur Mitte der Gesellschaft vorzustoßen." Seinem Vortrag folgte eine Diskussionsrunde.
Schulleiter Niessen äußerte sich zufrieden. "Dass sich so viele Menschen für diese Veranstaltung ausgesprochen haben, zeigt, dass die Rechtsradikalen hier nicht willkommen sind." Zu der gleichen Schlussfolgerung kam auch Hans-Peter Killguss angesichts der Tatsache, dass über 300 Besucher den Weg in das Gymnasium fanden. "Das ist ein klares Zeichen gegen Rechts."
Polizei zieht radikale Demonstranten aus dem Verkehr
Parallel zu der Veranstaltung in der Schule reihten sich in der Innenstadt dicht an dicht die Einsatzfahrzeuge der Polizei, zu Hunderten bezogen die Beamten Stellung, die man aus Köln, Bonn, Düsseldorf, Aachen und einigen anderen Städten zusammen gezogen hatte. Am Pulheimer Bahnhof zeigte die Bundespolizei Präsenz, weil rechte und linke Gruppierungen Kundgebungen und Protestmärsche angemeldet hatten.
Rund 20 Rechtsradikale waren vom Bahnhof unter Begleitung der Polizei Richtung Stadtmitte gezogen und versammelten sich auf einem kleinen Platz an der Christianstraße. Später stießen weitere kleine Gruppen aus der rechten Szene dazu.
Dank des Großaufgebots der Polizei - gut drei Hundertschaften waren im Einsatz - konnten direkte gewalttätige Konfrontationen verhindert werden. Zuvor musste bereits der von den linken Gruppen angekündigte Protestmarsch abgesagt werden, weil behördliche Auflagen nicht erfüllt werden konnten. So blieb es bei verbalen Duellen.
Ein Mitglied der rechten Szene wurde von der Polizei vorläufig festgenommen, da er ein T-Shirt mit einem verfassungsfeindlichen Symbol trug. Ihn erwartet nach Auskunft der Polizeipressestelle ein Strafverfahren. Im Anschluss wurde der Jugendliche seinen Eltern übergeben - sein T-Shirt wurde einbehalten, so die Polizei. Eine weitere Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs wurde gegen einen 19-Jährigen gestellt, der zuvor mit anderen Jugendlichen in das Parkhaus Farehamstraße eingedrungen war um dort ein Transparent auszurollen. Dem dabei ausgesprochenen Platzverweis, kam der Demonstrant, nach Polizeiangaben nicht nach, daher wurde er in Gewahrsam genommen.
Die rechten Gruppierungen wollten mit der Kundgebung gegen eine vermeintliche linksradikale Hetze gegen "national gesinnte Jugendliche", so ein rechter Redner, protestieren. Auch auf das wenige Tage zurückliegende Verbot rechter Vereine durch Innenminister Wolfgang Schäuble nahmen die Demonstranten Bezug: "Vereine kann man verbieten, Gedanken nicht", so der Redner.
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